Frauenkultur
Frauen und Männer sind gleichwertig, aber nicht gleich. Ihre Andersartigkeit führt auch zu
einer unterschiedlichen Spiritualität, die nur mit einer geschlechtsspezifischen Perspektive
differenziert erfasst werden kann.
So haben Frauen über ihren Körper einen ganz anderen Zugang zu sich selbst und ihren
spirituellen Kräften als Männer. Damit geht einher, dass Sinnhaftigkeit und Sinnlichkeit eng
miteinander verwoben sind. Dieses Denken ist den patriarchal geprägten Religionen fremd.
Es ist jedoch es ist das Herz weiblicher Spiritualität.
Verlorene Wurzeln
Bis zum Mittelalter gab es in Europa eine lange Tradition weiblicher Spiritualität – die der
"Weisen Frauen". Diese europäische Form des Schamanismus war ein fester Bestandteil der
Gesellschaft. Das althochdeutsche Wort "Hagazussa", von dem sich "die Hexe" ableitet,
bedeutet Zaunreiterin: Damit ist die Frau gemeint, die auf dem Zaun zwischen der
diesseitigen und jenseitigen Welt sitzt und in beiden zu Hause ist. Heilen, Hebammenkunst, Weissagung, Inspiration – all diese Künste entstanden aus ihrer
Fähigkeit, die sichtbare und die unsichtbare Wirklichkeit wahrzunehmen und ihre
Erfahrungen von der einen in die andere Ebene zu übertragen.
Durch die Hexenverfolgungen zu Beginn der "Neuzeit" wurde die Tradition der Weisen
Frauen zerstört. Die Auswirkungen zeigen sich bis heute noch im Fehlen jeglicher
gesellschaftlich akzeptierter spiritueller Lehren, die die Natur der Frau und die weiblichen
Energien und ihre wesentliche Bedeutung für das Leben anerkennen.
Abgetrennt von ihren Wurzeln gehen Frauen heute wie selbstverständlich spirituelle Wege,
die von Männern für Männer entwickelt wurden und nehmen männlich strukturierte und
dominierte Religionen an, ohne eine Ahnung von der ihnen selbst innewohnenden
Spiritualität zu haben. Diese Ahnungslosigkeit, wie sehr sie von ihrer ursprünglichen
Wesensnatur entfremdet lebt, ist die Tragödie der modernen Frau.
Fehlende weibliche Kreativität
Lebt eine Frau aus ihrer Tiefe heraus, übermittelt sie auf natürliche Weise die schöpferische
Energie des Göttlichen, denn ein Medium dieser Schöpfungskraft zu sein, wohnt der
Wesensnatur und dem Körper der Frau inne. Durch ihr zyklisches, mit dem Mond verbundenes Wesen und
die damit einhergehenden allmonatlich veränderten Bewusstseinszustände sowie durch ihre
Gebärfähigkeit hat sie tiefe Einsichten in die Natur allen Lebens.
Diese fehlen in der heutigen Gesellschaft, die weitgehend von den Kräften des Weiblichen
abgeschnitten ist – von den Energien, die Verbundenheit und heilsames Wachstum mit sich
bringen, von weiblicher Inspiration, Kreativität und lebenserhaltender Balance.
Mehr denn je braucht die heutige Zeit Frauen, die ihr Leben aus ihrem weiblichen Selbst heraus leben. Die
europäischen Gesellschaften sind in einer Zeit des Übergangs: Nachdem Frauen sich ihre
Rechte hart erkämpft haben, hat sich die Frauenbewegung mehr nach innen verlagert. Das ist
eine sensible Phase, denn formal betrachtet sieht es in vielen Bereichen des Alltags so aus, als
hätten sich die Frauen bereits weitgehend befreit. Die eigentliche Befreiung jedoch, die im
Inneren stattfindet, hat gerade erst begonnen.
Auflebende Frauenverbundenheit
Den Frauen heutiger Generationen sind viele Geschenke von den Wegbereiterinnen mit
gegeben worden. Aus diesem reichen Erbe können die Kraft und Verantwortung erwachsen,
gemeinsam weiter zu gehen. Dabei kann die Vision einer Neuen Göttin – als Symbol für die
befreite Weiblichkeit – ein verbindendes Leitbild sein.
Wenn Frauen sich vernetzen und austauschen, stärken sie sich gegenseitig den Rücken. Das
unterstützt jede Frau, die ihre Wesensnatur leben möchte. So kann eine neue Frauenkultur entstehen, die noch ganz jung ist, aber gleichzeitig eine weit
zurück reichende Geschichte hat – zu der auch das gemeinsame Tanzen als beglückende und
heilsame Erfahrung gehört. |